Die schönsten DDR-Kinderbücher
In Kinderbücher wurden gerade in der DDR viel Kreativität und Hingabe investiert. Nicht ohne Grund sind viele DDR-Kinderbücher heute wieder Bestseller.
Die Leselandschaft in der DDR war drastischen Einschränkungen unterlegen, viele Bücher galten als unerwünscht und waren nicht zu bekommen. In einer Gattung aber war die eigene Produktion sehr gut ausgebaut und bot ein vielfältiges und hochwertiges Angebot: Kinderbücher.
Klar, auch in diesem Bereich gab es einige Propagandawerke. Aber vor allem eben auch wunderschöne Geschichten, meist liebevoll illustriert und voller Fantasie. Dabei griffen auch berühmte Autor*innen und Illustrator*innen aus der Erwachsenenwelt zu Füller und Pinsel und schufen Werke auf der Höhe ihrer Kunst. Nicht ohne Grund werden immer mehr bekannte Kinderbücher aus der Zeit bis 1989 heute wieder verlegt und sind teilweise echte Bestseller. Wir schauen hier auf ein paar zeitlose Meisterwerke der DDR-Kinderliteratur, wobei sich die Liste sicher noch deutlich erweitern ließe.
Nr. 1 ist auch über die DDR hinaus ein großer Erfolg geworden.
#1 „Der kleine Angsthase“ von Elizabeth Shaw
Über eine Million Mal verkaufte sich das 1963 erschienene Mutmach-Buch von Elizabeth Shaw. Die britische Illustratorin zog 1946 in die DDR und machte sich bald einen Namen als Karikaturistin, u.a. für die Satirezeitschrift Eulenspiegel.
„Der Kleine Angsthase“ war ihr erstes von vielen Kinderbüchern. Darin muss ein Häschen über sich hinauswachsen und seiner Angst vor dem Fuchs stellen, um seinen Freund, den kleinen Ulli zu retten. Am Ende bekommt er eine Medaille für Mut verliehen.
Die Geschichte ist schlicht und schön gezeichnet und absolut zeitlos. Nach der Wende sind bisher genauso viele Auflagen erschienen, wie zu DDR-Zeiten und das Buch wurde in sieben Sprachen übersetzt.
Auch das nächste Buch war in fast allen Bücherregalen zu finden.
#2 „Die Weihnachtsgans Auguste“ von Friedrich Wolf
Friedrich Wolf war nicht nur einer der bekanntesten Schriftsteller der DDR, er schuf 1946 mit der „Weihnachtsgans Auguste“ auch eines der bekanntesten Kinder- und Weihnachtsbücher, das noch heute ungemein beliebt ist.
Erzählt wird die Geschichte der Familie Löwenhaupt, die für den Weihnachtsbraten eine lebende Gans besorgt. Die Kinder gewinnen den Vogel, der auf plattdeutsch schnattern kann, lieb und wollen verhindern, dass der Vater Auguste schlachten lässt. Ikonisch ist das Bild von der gerupften Gans im Strickpullover, die am Ende bei der Familie bleibt.
Populär geblieben ist „Die Weihnachtsgans Auguste“ auch durch mehrere Verfilmungen. Am bekanntesten ist dabei ein Fernsehfilm aus dem Jahr 1988 ( hier auf DVD erhältlich ).
Fun Fact: Der Ganter, der Auguste in dem Film spielte, war später noch in Detlef Bucks „Männerpension“ und in Roland Emmerichs Shakespeare-Film „Anonymus“ zu sehen. Eine tierische Karriere.
Tierisch geht es weiter.
#3 „Das Wolkenschaf“ von Fred Rodrian
Fragt man Menschen nach den schönsten Kinderbüchern der DDR, wird „Das Wolkenschaf“ garantiert genannt. Diese erstmals 1958 erschienene und von Werner Klemke wundervoll illustrierte Geschichte gehört einfach in jedes Kinderbücherregal, auch heute noch.
Erzählt wird von der Schäfchenwolke Zirri, die nicht aufpasst und vom Himmel fällt. Auf der Erde kümmert sich das Mädchen Christine voller Hilfbereitschaft und Ideen darum, dass Zirri in den Himmel zurückkehren kann.
Apropos Werner Klemke – er hat das vielleicht berühmteste Kinderbuchmotiv überhaupt geschaffen – siehe nächste Seite.
#4 „Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm“, illustriert von Werner Klemke
Denkt man an Märchenbücher, erscheint sofort Werner Klemkes Rotkäppchen-Motiv vor Augen. Kein Wunder, erschienen allein zwischen 1963 und der Wiedervereinigung mindestens 23 Auflagen und noch unzählige weitere bis heute. Das 460-Seiten-Buch ist gespickt mit zahllosen witzigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen und ein paar farbenprächtigen ganzseitigen Bildern. Völlig zu Recht bekam es seinerzeit die Auszeichnung „Schönstes Buch des Jahres“ und gewann weitere Gold- und Silbermedaillen. Bei sage und schreibe 80 Märchen, bietet dieses Buch garantiert einigen Lesestoff, den man noch nicht kennt.
Wer kennt noch das nächste Buch?
#5 „Moritz in der Litfaßsäule“ von Christa Kozik
Der 9-jährige Moritz ist überfordert – von der Schule, den Eltern, dem Leistungsdruck, der Geschwindigkeit des Alltags. Also verschwindet er eines Tages von Zuhause und findet Obdach im Inneren der Litfaßsäule auf dem Marktplatz. Durch Gespräche mit dem lebensklugen Straßenkehrer und der umtriebigen Katze Kicki lernt er, das Leben besser zu verstehen. Und auch seine Familie begreift, dass Moritz gut ist, genau so wie er ist.
Die Botschaft dieses Kinderbuches von 1980 ist zeitlos und das Ambiente besonders und witzig. Autorin Christa Kozik war auch intensiv in die 1983er Verfilmung dieses und anderer ihrer Kinderbücher involviert. Ein absoluter Lese- und Film-Tipp!
Auch das nächste Buch erhielt eine legendäre Filmfassung.
#6 „Die Söhne der großen Bärin“-Reihe von Lieselotte Welskopf-Henrich
Während sich die berühmten Winnetou-Romane Karl Mays vielfach der Kritik stellen müssen, sie zeichneten ein idealisiertes, klischeehaftes Indianerbild, ist für die sechsteilige Reihe der Historikerin Lieselotte Welskopf-Henrich unbestritten, dass sie höchsten inhaltlichen Ansprüchen genügt. Mit wissenschaftlicher Genauigkeit nähert sich die Autorin ihrem Protagonisten, dem Dakota-Jungen Harka, und seiner Welt. Dabei ist die Geschichte realistisch, lehrreich und äußerst spannend.
Ursprünglich erschien die Geschichte 1951 als Einzelband, wurde aber im Laufe der Zeit zur bekannten Hexalogie erweitert.
Die 1966er Verfilmung mit dem serbischen Schauspieler Gojko Mitić in der Hauptrolle wurde ein Sensationserfolg. Sie machte Mitić zum „DEFA-Chefindianer“ und trat eine ganze Welle von Wildwest-Filmen aus DDR-Produktion los.
Als nächstes folgt eine Art Wiederbelebung.
#7 „So ein Struwwelpeter“ von Hansgeorg Stengel und Karl Schrader
Während es im ursprünglichen „Struwwelpeter“ ziemlich düster und gruselig herging, ist dieses satirische Update aus dem Jahr 1970 wesentlich harmloser. Der Stil des berühmten Karikaturisten Karl Schrader macht die Moralgeschichten für Kinder einzigartig und spaßig. Hier werden die als Nuckel benutzten Daumen nicht, wie anno 1844, abgehackt, sondern sie streiken und laufen davon. Und wenn das TV-Gerät dem fernsehverrückten Frank nachts in die Nase zwickt, damit er gefälligst weiterschaut, weiß man, dass hier mit Augenzwinkern belehrt wird.
Wie so oft bei DDR-Kinderbüchern wurde auch zu diesem Buch mit viel Hingabe ein Hörspiel erstellt. Die LP dürfte, wie auch das Buch, in den meisten Kinderzimmern zu finden gewesen sein.
Das nächste Buch stammt aus einer Reihe, die alle Ostkinder hatten.
#8 „Bootsmann auf der Scholle“ von Benno Pludra
Wieder war es Werner Klemke, der die unvergessliche Cover-Illustration schuf. Der Text des 1959 erschienenen Büchleins stammt von Benno Pludra, dem erfolgreichsten Jugendbuchautor der DDR. In dieser Geschichte aus dem Jahr 1959 erleben wir, ganz knapp zusammengefasst, wie der Hund Bootsmann auf einer Eisscholle auf die Ostsee hinaustreibt und schließlich gerettet wird.
Erschienen ist das Buch in der Reihe „Die kleinen Trompeterbücher“, die insgesamt 200 Bände unterschiedlichster Art und Qualität umfasst. „Bootsmann auf der Scholle“ war dabei eines der erfolgreichsten und wurde in 15 Auflagen verkauft. 1962 wurde auch ein Trickfilm der Geschichte hergestellt.
Im nächsten Buch treffen wir zwei besonders beliebte Tiere.
#9 „Der Wunschring“ von Jürgen Kieser
Kenner*innen dürfte klar sein, was das Besondere an diesem Buch ist: Es ist ein Sammelband aus der Comicreihe um die Mäusebrüder Fix und Fax. Deren Geschichten erschienen von 1958 bis 1991 in der Pionier-Zeitschrift „Atze“ und trugen maßgeblich zum Erfolg des Heftes bei, das sonst eher auf politische Inhalte zielte. Fix und Fax hatten darin mit ihren fröhlich gereimten und völlig unpolitischen Comics eine Sonderstellung inne.
„Der Wunschring“ erschien 1982 und beinhaltet die Abenteuer, die Fix und Fax mit einem Ring erleben, der – wie der Name schon sagt – jeden Wunsch erfüllen kann. So reisen sie u.a. in die Steinzeit, ins Mittelalter und ins Schlaraffenland. Sie erleben die Abenteuer, die jedes Kind und wohl auch viele Erwachsene zu gern selbst erleben würden. Das macht den Sammelband so besonders. Der Wunschring bleibt als Traumobjekt im Gedächtnis.
Das Buch „Der Wunschring“ ist nur antiquarisch erhältlich, die gesammelten Abenteuer – und somit auch die Geschichten mit dem Wunschring – gibt es aber in Neuauflagen noch heute.
Auf der nächsten Seite gibt es einen modernisierten Klassiker.
#10 „Zilli, Billi und Willi“ von Elizabeth Shaw
Elizabeth Shaw hatten wir zu Beginn schon einmal. Dieses Buch aus dem Jahr 1972 darf dennoch nicht fehlen, denn „Zilli, Billi und Willi“ stand doch eigentlich in jedem Kinderzimmer, oder?
Erzählt wird in dem munteren Bilderbuch eine Abwandlung der bekannten Geschichte der drei kleinen Schweinchen, die sich Häuser aus Stroh, Holz und Stein bauen, um vor dem Wolf geschützt zu sein. In dieser Fassung platzt der Wolf am Ende, als er versucht, das feste Haus aus Stein wegzupusten. Anders als in der Originalfassung, wird keins der Schweinchen vom Wolf gefressen und dieser landet nicht im Kochtopf.
Das nächste Buch bietet viele unvergessene Momente.
#11 „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ von Hannes Hüttner und Gerhard Lahr
Autor Hannes Hüttner schrieb über 30 Kinderbücher, aber dies hier ist mit Abstand das bekannteste. Die 1969 erschienene Geschichte von einer Feuerwehrbrigade, die wegen verschiedenster Einsätze nie dazu kommt, ihren Kaffee und das Pausenbrot zu genießen, steckt voller Momente, die sich ins kollektive Gedächtnis der jungen Leser*innen eingeprägt haben. Sei es der kleine Meyer, der es als einziger schafft, zu essen und immer irgendwoher Nachschub zu bekommen oder Oma Eierschecke, die kein Ofenblech hat und deshalb einen Küchenbrand verursacht. Genauso unvergesslich sind die Illustrationen von Gerhard Lahr, der als Künstler auch internationale Anerkennung genoss.
Es dürfte klar sein, welcher Über-Klassiker in dieser Auflistung noch fehlt, oder?
#12 „Alfons Zitterbacke“ von Gerhard Holtz-Baumert
Die Liste der schönsten DDR-Kinderbücher kann nicht komplett sein ohne ihn: Alfons Zitterbacke. Der Pechvogel war für viele eine Identifikationsfigur, denn er wurde oft missverstanden und geriet ohne es zu wollen von einem Schlamassel in den anderen. Unvergessen, wie im Ferienlager Nudeln mit Tomatensoße zum Desaster wurden oder wie Alfons Ärger bekam, als er ein falscher Betrunkener war.
Zitterbacke gab es auf verschiedenen Wegen zu erleben: Zum Einen natürlich im Buch von 1958. Zum Anderen gab es schon 1966 eine erste Verfilmung , in der Alfons Kosmonaut werden möchte. 20 Jahre später folgte eine sechsteilige TV-Serie und 2019 und 2022 jeweils Kinofilm-Neuauflagen, die ihrem Vorbild aber nicht gerecht werden können. Prägender war da auf jeden Fall die prominent besetzte Hörspiel-Adaption von 1968, die man einfach nicht aus dem Kopf bekommen kann.
Jetzt folgt noch ein Tipp für Fans der DDR-Kinderliteratur.
#13 „Erzähl mir vom kleinen Angsthasen: Die schönsten Kindergeschichten der DDR“
Abschließend sei noch der Hinweis auf diesen umfangreichen Sammelband gegeben. Der KinderbuchVerlag von Beltz hat einen Großteil der DDR-Bücher wieder herausgegeben und viele davon schließlich in diesem einen Band gesammelt. Wer also möglichst kompakt viele der Geschichten (wieder)entdecken möchte, liegt hiermit genau richtig. Das ist nicht so schön, wie die Bücher im Einzelnen im Regal zu haben, vielleicht sogar noch als Originalausgabe, bietet aber die Möglichkeit viele Bücher in einem zum kleinen Preis zu besitzen. So kann man die schönsten Seiten der DDR-Kindheit erleben.
Apropos bekannte Kinderbücher: Hier findest du einen Überblick über die schönsten Mutmach-Bücher für Kinder:
Kinderbücher sind nicht nur unterhaltsam, sie können den Kleinen auch Mut machen. Das sind die schönsten Mutmach-Kinderbücher.