Wie hat BookTok und Social Media den Buchmarkt verändert?
Social Media hat nicht nur auf den allgemeinen Markt einen großen Einfluss: BookTok hat den Buchmarkt verändert und vielleicht sogar gerettet.

„Junge Menschen sind ja nur am Handy.“ – Stimmt das? Neue Zahlen des internationalen Buchmarkts zeigen da eine ganz neue Perspektive. Hat die junge Generation den Buchmarkt gerettet? Social Media und Co. beeinflussen nicht nur Trends und Informationsaustausch, sondern auch den Kauf und Verkauf. Instanzen wie BookTok (TikTok) und Bookstagram (Instagram) sollten nicht unterschätzt werden, das zeigen Bestsellerlisten und Verkaufszahlen immer wieder! Aber was hat sich genau verändert?
Farbschnitte, New Adult, Romantasy und vieles mehr: Was wurde anders?

BookTok und Bookstagram
Wer heutzutage in eine Buchhandlung geht, wird mit Stickern und Aufschriften auf den Regalen konfrontiert wie „von Booktoker xy empfohlen“ oder „der BookTok-Hype jetzt auf deutsch“ oder auch einfach „#BookTok“. Was bedeutet das? BookTok ist die Sparte auf TikTok, die sich ausschließlich mit Büchern und Autor*innen beschäftigt. Mehrheitlich junge Menschen, die sich über die neuesten Erscheinungen austauschen, Autor*innen, die versuchen die Reichweite der Content Creator*innen zu nutzen, um ihre Bücher zu promoten und viele Nutzer*innen, die diese Videos konsumieren. Das Pendant auf Instgram nennt sich Bookstagram und auch auf YouTube gibt es BookTube.
Auch die Bücher an sich haben sich verändert:

Sonderausgaben, Farbschnitte, Starbuffle und Co.
Auch das Buch selber hat sich in den letzten Jahren ganz schön verändert. Im Buchgeschäft sieht man vor allem bunte Farbschnitte. Das ist zwar nichts gänzlich Neues, da auch früher schon Buchkanten mit Gold und anderen Farben veredelt wurden, doch die schiere Menge und auch die auffälligen Muster sind inzwischen gang und gäbe. Einige Sonderausgaben mit Farbschnitten (Stichwort „Fourth Wing“) waren so beliebt, dass viele Bücher über Wochen und Monate im Voraus ausverkauft und kaum nachzubestellen waren. Menschen standen nachts Schlange, um Bücher genau in dem Farbschnitt zu erhalten, den sie sich wünschten. Damit es nicht Bücher in Farbschnitten und ohne gibt, hat sich kurz der Trend der Starbuffles etabliert: Buchumschläge, die auch die Buchkanten in ein Muster hüllen. Richtig durchsetzen konnte sich das aber nicht.
An den Farbschnitten gibt es allerdings auch zwei wichtige Kritikpunkte:

#1. Zu viel Konsum?
Wer im Jahr 2023 oder 2024 die Leipziger oder Frankfurter Buchmesse besucht hat, dem wird vielleicht aufgefallen sein, wie viel es beim Lesen inzwischen eher um das Bücher kaufen geht. Ein dreistelliger Sub (Stapel ungelesener Bücher) ist bei vielen Bücherwürmern keine Seltenheit und wird fast mit einem gewissen Stolz auf Social Media kommuniziert. Auf BookTok und Co. werden nach den Messen diverse Hauls – also Videos, bei denen die gekauften Bücher gezeigt werden – hochgeladen. Vor Verlagen wie dem Lyx Verlag oder auch der Bücherbüchse sind auf Messen stundenlange Schlangen, um gewisse Farbschnitte zu ergattert. Die Frage wird da laut: Geht es wirklich um das Buch und das Lesen selbst oder geht es um den Kauf und Besitz? Viele BookToker*innen haben mehr als tausend Bücher bei sich zu Hause und erklären feierlich, dass sie damit offiziell sagen dürfen, dass sie eine Hausbibliothek haben. Alle Bücher davon gelesen, haben sie meistens bei weitem nicht. Einige Bücher werden sogar in mehrfachen Versionen besessen, sogar in Sprachen, die sie nicht verstehen, einfach nur, weil die Ausgabe so schön ist.
Dazu kommt dann noch ein weiterer Punkt:

Bücher und die KI
Wie überall im Alltag spielt auch bei Büchern die KI inzwischen eine große Rolle. Zwar wird (zum Glück) immer noch scharf kritisiert, wenn vermeintliche Autor*innen beim Schreiben KI verwenden, allerdings sieht man inzwischen recht regelmäßig, dass Buchcover, Farbschnitte und Co. KI generiert sind – bzw. manchmal fehlt eben leider auch die jeweilige Kennzeichnung und man sieht es nicht. Für Coverdesigner*innen, Übersetzer*innen und viele weitere Berufe ist diese Entwicklung natürlich beunruhigend. Dazu kommen die Fragen, die uns alle beschäftigen: Was ist mit dem Urheberrecht, wer verdient an KI generierter Kunst, woher sammelt die KI ihre Inspiration, ist das dann eine Kopie und vieles mehr.
Trotz all der Kritik erlebt das Buch ein richtiges Hoch:

Retten junge Menschen das gedruckte Buch?
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels verzeichnet einen Anstieg von 2023 zu 2024 um 1,8% und das obwohl viele andere Bereiche der Wirtschaft absinken. Besonders daran beteiligt sind die jungen Menschen zwischen 16 und 29 Jahren, also die Menschen, die mehrheitlich Social Media nutzen. Das fällt auch bei den Zahlen auf, wo Bücher gekauft werden: 25,4 Prozent der Umsätze am Gesamtmarkt wurden im Internet erwirtschaftet.Trotzdem machen Expert*innen wie Karin Schmidt-Friderichs vom Börsenverein darauf aufmerksam: „Das Interesse an Büchern ist groß, aber wir erreichen damit nur diejenigen, die in der Lage sind, funktional zu lesen. Jedes vierte Kind bleibt außen vor, weil es nicht über eine ausreichende Lesekompetenz verfügt.“ Obwohl digitale Bücher und Hörbücher immer beliebter werden, dominiert das gedruckte Buch weiterhin den Markt. Was vielleicht zu einem gewissen Teil auch mit Sonderausgaben und Farbschnitten zusammenhängt, zumindest bei der jungen Leserschaft.
Genau diese Leserschaft wird aber auch gerne mal belächelt:

Wieso werden junge Leser*innen oft nicht ernst genommen?
Junge Menschen interessieren sich für die Liebe und Beziehungen, das ist kein Geheimnis. Mit der Pubertät und der Entdeckung der eigenen Sexualität beschäftigen sich junge Leute gerne und ausgiebig mit solchen Themen, egal, ob in Musik, Film oder eben auch im Buch. Vor allem mit dem Anstieg von BookTok wurden die Subgenres Young Adult, New Adult und Romantasy immer populärer. Young und New Adult beinhaltet dabei weitestgehend Belletristik, bei dem die Hauptperson entweder unter 20 oder eben Anfang 20 ist. In vielen dieser Geschichten geht es neben tiefgründigeren Themen wie Mental Health, Verlust und Co. auch um Liebesbeziehungen. Bei dem Subgenre Romantasy geht es um eine Fantasygeschichte, bei der die Liebesbeziehung zwischen den Charakteren eine ganz zentrale Rolle spielt. Nicht selten enthalten all diese Bücher ziemlich explizite Liebesszenen.
Auch das ist nicht ganz unkritisch zu betrachten:
Bräuchten Bücher eigentlich schon längst eine Altersbegrenzung? Darum geht es in folgendem Artikel.
Kommen wir aber nochmal zurück zu der jungen Leserschaft:

„Drachenscheiße“, „Bumsbücher“ und „Mädchenbücher“
Immer wieder finden Literaturkritiker*innen harte Worte für genau die Bücher, die junge Leute so gerne kaufen und lesen. Nicht selten kommt die Gegenkritik der jungen Leserschaft, dass dann übersehen wird, welche Themen in solchen Büchern noch behandelt werden. Wie oft es eben auch um mentale Gesundheit, um Stalking, um den Druck aus dem Internet oder auch die anderen zwischenmenschlichen Beziehungen geht. Die ganze Debatte reiht sich ein bisschen in einen grundsätzlichen Generationskonflikt mit ein, der wohl an niemandem so richtig vorbei geht. Auch die schiere Masse der Bücher wird oft angesprochen: „Die Qualität lässt tatsächlich oft zu wünschen übrig, was bei der Masse an den neuen Titeln nicht verwunderlich ist. Ich habe schon den Eindruck, dass viele Manuskripte, die früher bestenfalls als E-Book im Selbstverlag erschienen wären, jetzt relativ lektoratsfrei als der nächste Romance-Toptitel gehandelt und präsentiert werden.“, sagt zum Beispiel Jugendbuchexpertin Katharina Mehrenholtz.
In dieser Diskussion ist wohl noch lange nicht das letzte Wort gesprochen und es bleibt abzuwarten, wie viel die jungen Menschen weiterhin kaufen bzw. wirklich lesen.